Der Reiz des Kletterns  -Flow oder Kick Zustand-

 

Warum klettert der Mensch gern? Was ist der Reiz des Kletterns? Klettern dient der Fortbewegung, speziell der (möglichst) vertikalen oder genauer gesagt der Überwindung steiler Hindernisse. Der forschende Typ Mensch hat beim Anblick einer Erhöhung den spontanen Wunsch, auf deren Gipfel zu stehen. Er geht diesem Drang nach. Man kommt in Situationen, in der man an die körperliche Leistungsgrenze geht. Hinzu kommt die Angst vor der Gefahr des Absturzes, was die Psyche in einen Extremzustand bringt. In diesem Zustand kann der oben bereits erwähnte Drang des Nach-oben-. Es handelt sich hier um einen archetypischen oder unbewußtem Trieb. Einer der möglichen Reize des Kletterns liegt in der Anforderung kontinuierlicher Konzentration unter erhöhtem Körper -Geistes- und Krafteinsatz. Bei wiederholten Reizen dieser Art durch längere Kletterrouten oder der andauernden Konzentration und Körper-, Geistes- und Krafteinsatz bei wiederholtem Wechsel zwischen Klettern und Sichern wird der Körper des Sportlers in Ausdauersituationen gebracht. Man kann dies erkennen, wenn der sogenannte Flow oder Kick-Zustand einsetzt, in dem alles automatisch, jedoch trotzdem bewusst abläuft und man zu außerordentlicher Leistung fähig ist. Im Gegensatz zum negativen Stresserlebnis, empfindet man beim Kick-Zustand verstärkt Freude, Genuss, Spaß, Selbstkontrolle, innere Harmonie und Zufriedenheit in einem Rauschzustand und kontinuierlichen Bewegungsfluss. Es gibt aber beim Klettern auch noch einen weiteren spürbaren Effekt. Dieser Effekt wird mit Risikoempfindungen, plötzlichen Gefahrensituationen, der Suche nach dem Risiko und der Gefahr als Möglichkeit, dem intensiven, schnellen, ekstatischen Empfinden verbunden. In Klettersituationen kommt man in Situationen plötzlicher Grenzerfahrung und Grenzüberschreitung hinein. Neben tatsächlichen Gefahren wie dem Ausbruch eines Klettergriffes, dem Abrutschen oder Stürzen, sogar dem kontrollierten Sturz ins Seil mit teils nur 30 Zentimeter Sturzhöhe, gibt es plötzliche Überraschungen wie das plötzliche Überwinden einer Schlüsselstelle, dem Knacken eines Boulderproblems. Man kann es sich eventuell so vorstellen, dass man in einer solchen Situation im Gegensatz zum Flow-Erlebnis hier eher plötzlich Begeisterung, Jubel, Freude, ein ekstatisches Aufschreien geschieht. Man erlebt einen Adrenalinschub oder eben diesen Kick. Seltsam wirkt es dann, wenn jemand eine objektiv gefährliche Kick-Erfahrung wie den 15 bis 30 Meter Sturz, mit oder ohne Verletzungen als geiles Erlebnis bezeichnet. Speziell dann, wenn kaum über die Minderung der objektiv gefährlichen Situation nachgedacht wird und man sich gleichen Situationen erneut aussetzen würde. Dies kommt aber durchaus vor. Daher sollte man hier seinem Seilpartner vertrauen schenken können und von der eigenen Einstellung zum Klettersport ähnlich mit solchen Situationen umgehen und umgehen wollen. Ist dies nicht der Fall, so setzt man sich selbst ungewollt einer hohen Gefahr aus. Dies zählt dann nicht mehr zu den positiv empfundenen Kick-Erlebnissen. Klettern verbindet beides. Es hat also Elemente von Flow-Zuständen wie auch Kick-Erlebnisse in sich. Diese positiven Reize werden auch bei langjähriger Beschäftigung mit der Sportart weiterempfunden.

 

 

 

Psyche und Angst beim Klettern  

Im Gegensatz zu Angstsituationen gibt es auch positive Warnungsempfindungen. Die Psyche signalisiert hier, dass man vorsichtig sein sollte. Man geht kontrolliert an eine als Grenzsituation empfundene Situation heran und tastet sich an die Grenze heran. Aus einem Fundus von Methoden und Strategien wählt man hier die entsprechende für geeignet empfundene Methode aus. Der daraus gewonnene Spaß ist abhängig von der Menge der zur Verfügung stehenden Strategien, Methoden und bislang gesammelten Erfahrungen. Trainierte Situationen und positive Erfahrungen werden hier wieder in positive Erfahrungen umgesetzt. Daraus ergibt sich ein spielerischer Umgang mit der Situation, wenn Bewegungsabläufe immer automatisierter erfolgen und die Vorsicht nicht in unkontrollierbarere Ängste umschlagen. Dabei kann bei großer Belastung der Psyche, insbesondere durch Angstsituationen die korrekte Ausübung der Technik und die strategische Platzierung der Technik im Kletterfluss negativ beeinflussen. Stellt man solch einen negativen Einfluss fest, so kann man diesem entgegenwirken, indem:

 

-  durch körperliches Training ein Automatismus in kontrollierten definierten ähnlichen Situationen eingeübt wird 

 - oder durch psychisches Training eine Objektivierung der Angstsituation stattfindet, also die subjektiven eigentlich  unbegründeten unkontrollierten Ängste in kontrollierte objektive Empfindungen umgewandelt werden.

 

 

               

                                             

                         Sachsendorf  •  2001-2008